Schauspiel • Ab Januar 2025

Null Zucker

Ein süßer Abend über die Muttersprache • Von Tanju Girişken

(c) Sofia Brandes & Max Slobodda

Null Zucker

„Bir lisan, bir insan. Iki lisan, iki Insan / Eine Sprache, ein Mensch. Zwei Sprachen, zwei Menschen”, so lautet ein Sprichwort aus dem Türkischen. Aber kann ich mich für eine andere Perspektive, eine neue Persönlichkeit entscheiden, indem ich eine weitere Sprache lerne? Die Sprache prägt meine Denkweise und auch, wer ich bin. Keine Worte zu finden, schafft eine Lücke zwischen Sprache und Realität. Diese Lücke ist nicht zufällig – in ihr offenbaren sich die in einer Gesellschaft vorherrschenden Machtverhältnisse. Die im Exil lebende Autorin Asli Erdogan definiert die türkische Sprache als ihre Heimat, die sie über alles liebt. 2022 beschreibt sie: „Jetzt, wo ich seit fünf Jahren nicht mehr in der Türkei bin, werden die Worte leiser. Ich verliere meine Heimat.” Die Künstlerin Etel Adnan lehnt es während des Unabhängigkeitskriegs Algeriens ab, weiterhin in der französischen Sprache zu arbeiten und solidarisiert sich mit Algerien: „Ich brauchte nicht mehr auf Französisch zu schreiben, ich wollte in Arabisch malen”. Ausgehend von diesen unterschiedlichen Persönlichkeiten und Perspektiven macht sich Tanju Girişken mit dem Ensemble und Menschen aus Dortmund auf die Suche nach alternativen Dimensionen und neuen Werkzeugen, wenn die Worte fehlen. Welche Wege des Denkens, welche gemeinsamen Ausdrücke finden sie? Und in welcher Sprache findet diese Suche statt?

Tanju Girişken, 1989 in Izmir geboren, studierte Schauspiel an der Istanbul Universität ab. Sein erstes Festengagement führte ihn 2014 ans Stadttheater Istanbul. 2017 zog er nach Berlin und spielte in Nurkan Erpulats Lö Grand Bal Almanya am Maxim Gorki Theater. 2020-2023 studierte er Regie an der Hochschule für Musik und Theater in Kooperation mit der Bayerischen Theaterakademie. Mit seiner Abschlussarbeit befristet/für immer wurde er zum Körber Studio Junge Regie nach Hamburg eingeladen.

Termine

März 2025 15 Samstag Studio (Schauspielhaus) 20:00 Uhr – 21:30 Uhr (keine Pause)
Tagesaktuelle Besetzung am 15. März 2025
(Änderungen vorbehalten)

März 2025 26 Mittwoch Studio (Schauspielhaus) 20:00 Uhr – 21:30 Uhr (keine Pause)
Tagesaktuelle Besetzung am 26. März 2025
(Änderungen vorbehalten)

Weitere Termine folgen.

Besetzung

Regie Tanju Girişken
Bühne und Kostüme Lisa Chiara Kohler
Sounddesign Hans Könnecke
Video Tobias Hoeft
Dramaturgie Negar Foroughanfar
Theatervermittlung Sarah Jasinszczak
Licht Markus Fuchs
Ton Jörn Michutta
Regieassistenz Bayram Umur Yildirim
Ausstattungsassistenz Constanze Kriester
Inspizienz Monika Gies-Hasmann
Soufflage Klara Brandi

Meinungen

Kritiken und Pressestimmen

Ars tremonia

 „‚Null Zucker‘ ist kein Stück über dialektologische Nahrungsvorschläge, sondern eine eindrucksvolle Auseinandersetzung mit Sprache.

Unter der Regie von Tanju Girişken begaben sich die Schauspieler*innen Mouatouz Alshaltouh, Lukas Beeler und Fabienne-Deniz Hammer auf eine spannende Reise durch Worte und Bedeutungen.

Mehrsprachigkeit als Bereicherung

Trotz der ernsten Themen kam der Humor nicht zu kurz. ‚Null Zucker‘ zeigte auf humorvolle Weise, wie Sprache unsere Identität prägt und uns miteinander verbindet. Ein türkisches Sprichwort fasst dies treffend zusammen: ‚Eine Sprache, ein Mensch. Zwei Sprachen, zwei Menschen.‘

Die Premiere zog ein gemischtes Publikum an, das sich nach der Aufführung noch lebhaft über die Thematik austauschte. 

Das Stück ist ein eindrucksvolles Plädoyer für die Wertschätzung der Mehrsprachigkeit und ein Appell, die Sprache des anderen zu lernen – als Schlüssel zur Verständigung und zur Wertschätzung kultureller Vielfalt.“

20. Januar 2025
Die Deutsche Bühne

„Ein Sprachrauschen

(…) und erhellend-bittere Monologe über ihre Erfahrungen mit der deutschen und anderen Sprachen.

Mit ihm und den anderen schauen wir auf einen Alltag für viele, der aber selten so hörbar ist.

Die Stimmung im Publikum ist prima, viele strahlen.

Die Schauspieler*innen schalten genauso fix um, wie der Sender im Radio verstellt ist, wechseln von der charmanten Moderation zum enttäuschten Sinnieren, vom Schwärmen zur Frustrede. Mouataz Alshaltouh, neu im Dortmunder Ensemble und hier in seiner ersten Inszenierung zu sehen, gibt den gutgelaunten Entertainer, dessen große Geste demonstriert, wie er Sprache auch körperlich fühlt.

Eingespielte O-Töne gibt es von drei Dortmunder Frauen (Elif Demirhan, Gülüzar Doğan und Ayşe Gül Kılıç), die wie Elif Demirhan zum Beispiel erzählen, dass Deutsch für sie eine Sprache des Widerstands und der Befreiung geworden ist. Eine Sprache des Verstandes und der klaren Entscheidung. Oder wie das Thema Übersetzen zu einer Brücke zwischen zwei Sprachen und zwei Kulturen werden kann. Nicht weniger als so eine Brücke ist ‚Null Zucker‘.“

18. Januar 2025
Ruhr Nachrichten

„Reflexionen zur Mehrsprachigkeit: Jeder bekommt ein kleines Solo, in dem über die jeweiligen Erfahrungen mit der nicht Muttersprache berichtet wird.“

„Der Hörspiel-Charakter des Anfangs bestimmt dann auch den letzten Akt der 60-minütigen Produktion. Stimmen von Migrantinnen erklingen aus den Lautsprechern: Sie erzählen aus ihrem Leben und ihren Erfahrungen mit der deutschen Sprache.“

18. Januar 2025
Westfälischer Anzeiger

„Das wird dann recht unterhaltsam, wenn die Darsteller ihrer Laune freien Lauf lassen. Lustig ist Beelers Beschimpfung des Gouda-Käses. Fabienne-Deniz Hammer redet sich in Rage, weil sie eben nicht im Türkischen aufgewachsen ist, sondern im Deutschen. (…) Hammers Wutausbruch kommt schön eindrucksvoll rüber.“

„Gegeben wird Reflexionstheater, ein Gemisch aus unterschiedlichen Erfahrungen und Anekdoten.“

„In der launigen Stunde streifen die Akteure durch das Themenfeld, sitzen anfangs in einer großen Kiste, die Austatterin Lisa Chiara Kohler auf die Bühne stellte und machen (per Live-Video eingespielt) ein wenig Wohngemeinschaftsstimmung.“

21. Januar 2025