Orpheus in der Unterwelt
- In der Audioeinführung für Eilige gibt Ihnen Tirzah Haase, die „Stimme Dortmunds“, einen kurzen Einblick in Orpheus in der Unterwelt.
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Orpheus und Eurydike haben endgültig genug von ihrer Ehe. Hemmungslos betrügen sich die beiden gegenseitig, wobei Eurydike nicht ahnt, dass es sich bei ihrer Affäre Aristeus um Pluto, den Gott der Unterwelt, handelt. Gewitzt leitet dieser den Tod Eurydikes ein, die sofort bereit ist, ihn in das Totenreich zu begleiten. Orpheus wähnt sich bereits im Glück über diesen unverhofften Verlust seiner Frau, da erscheint ihm die berüchtigte Hüterin von Recht und Ordnung: Die Öffentliche Meinung! Sie fordert Orpheus auf, in den Olymp zu gehen, um von Obergott Jupiter höchstselbst seine Frau zurückzufordern. Im Olymp angekommen beschließt Jupiter, mitsamt aller dortigen Götter, in die Unterwelt zu reisen, um dem Fall auf den Grund zu gehen. Dabei setzt der dauerlüsterne Jupiter insgeheim darauf, die schöne Eurydike selbst zu erobern. Es beginnt ein turbulentes Fest in Plutos Reich, das seinen Höhepunkt im berühmten Höllen-Cancan findet.
Nach Die Entführung aus dem Serail, Tosca und Die Zauberflöte wendet sich Hausregisseur Nikolaus Habjan nun dem lustigen Genre zu. Hierbei bringt er Offenbachs Dauerbrenner als Persiflage auf das zügellose Leben der heutigen High Society auf die Dortmunder Opernbühne. Heike Vollmer zaubert hierzu ein Bühnenbild im Comic-Look, in dem sich unter anderem der gesamte Orchestergraben in einen Swimming-Pool verwandelt. Das Kostümbild verantwortet Denise Heschl, die Choreografien erarbeitete Adriana Naldoni.
„Nikolaus Habjan (Regie) legt einen Kavaliersstart hin und nimmt bis zum Schlussapplaus den Fuß nicht mehr vom Gas (…)
Konsequent ist Eurydike (Rinnat Moriah, die in ihrer quecksilbrigen Überdrehtheit immer noch ein wenig mehr glitzert als das mit Glanzleistungen keineswegs geizende Ensemble) eine fleischgewordene Roy-Lichtenstein-Blondine.
Das Konzept trägt. Nicht nur wegen der großen Sorgfalt, mit der die Comic-Ästhetik bis in die Kostümapplikationen (Denise Heschl) und die Bewegungsdynamik (Choreografie Adriana Nadolni) hinein umgesetzt wird. Sondern vor allem, weil die bestens aufgelegten Sänger-Darsteller jenseits der Pappsprechblasen für das ultimative ‚Wham Bam!‘ sorgen. Hinreißend die von der Scheintugend chronisch erschöpften olympischen Götter! Köstlich die Süffisanz, mit der sie Göttervater Jupiter die ehelichen Verfehlungen – hier aktualisiert um Anspielungen auf eine gewisse Alterweißermannhaftigkeit – vorhalten, um dann selber beim nachdrücklich ertrotzten Familienausflug in die Unterwelt alle Hemmungen fallen zu lassen!
Gelungene Premiere und ein schwungvoller Start in die Karnevalsession – was will man mehr?!“
„Das macht alles Spaß, anzuschauen, und im zweiten Bild, im Olymp der Götter, wird es noch wilder: (…)
Gesungen wird in Dortmund ja immer hervorragend: Morgan Moody als Jupiter ist eine Bank, Rinnat Moriah imponiert als Eurydike mit silberglänzenden Spitzentönen, Soyoon Lee ist als Cupido herzallerliebst und Ruhrpott-Original Steffen Schortie Scheumann als Styx/Dobby das größte Vergnügen. Dieser ‚Orpheus‘ macht richtig gute Laune.“
„Wahrlich ein Anblick für die Götter. (…)
Im Gegenteil, Habjan setzt jene von Esprit und Mutwillen überbordende Vitalität frei, deren die Offenbachiade unbedingt bedarf und dennoch oft auf der Strecke bleibt. In Dortmund aber springt der Funke sofort über.
Bei Bühnenbildnerin Heike Vollmer mutieren Wellnesstempel samt in einen Swimmingpool verwandeltem Orchestergraben, sowie Olymp und nicht zuletzt Hölle zu grafisch und farblich auf das Format der beträchtlichen Dortmunder Bühne vergrößerten Cartoons. Die Comic-Offenbachiade funktioniert famos, weil Denise Heschl der Personnage Gewandungen verpasst, die oft die zeichnerischen Qualitäten des Bühnenbildes aufnehmen. Die Uniform der Öffentlichen Meinung wird so zum Hingucker.
Der szenischen Schwerelosigkeit entspricht der musikalische Esprit. Unter Fabio Mancini schlummert der Dortmunder Opernchor vollendet klangschön in schwerelosen Göttinnen- und Götterträumen und verlustiert sich andererseits ebenso leichtlebig wie präzise in der Unterwelt. Motonori Kobayashi und die Dortmunder Philharmoniker lassen sich aus dem Swimmingpool-Orchestergraben im Höllentempo vernehmen. Das geht ins Blut.
Rinnat Moriah ist eine vokal und spielerisch bezwingende Eurydike. Stupend und immerfort ihre Figur auf die Schippe nehmend, formieren sich Moriahs Koloraturen zu Ketten reihenweise zündenden Pointen. Keine Frage, diese Eurydike setzt Maßstäbe. Für Orpheus verfügt Zachary Wilson über baritonale Eleganz und beinahe zuviel Ausstrahlung. Morgan Moody gibt einen Jupiter, bei dem stimmliche Flexibilität und charakterliche Wendigkeit korrespondieren. Ausgesprochene Buffoqualitäten zeichnen Fritz Steinbacher aus, selbst Höllenfürst Pluto ist eben eine Lachnummer. In Nosferatu-Anmutung trauert Steffen Schortie Scheumanns Hans Styx dem Erdendasein nach. Maria Hiefinger verkörpert vokal autoritär Die Öffentliche Meinung. Allerliebst und vielversprechend Soyoon Lees Cupido. Lee ist Mitglied des Opernstudios. Auch alle weiteren Solistinnen und Solisten schließen sich zur runden Ensembleleistung zusammen.“