Queens
- In der Audioeinführung gibt Ihnen Dramaturgin Marie Senf einen kurzen Einblick in Queens. Eine Live-Einführung können Sie 30 Minuten vor ausgewählten Vorstellungsterminen im Foyer erleben.
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Zwei mögliche Königinnen, zwei Welten: Elizabeth, Protestantin und Tochter Anne Boleyns – der Frau, für die König Heinrich der Achte mit der katholischen Kirche und dem Papst brach. Die geköpft wurde, als Elizabeth drei Jahre alt war. Elizabeth wird als „Bastard“ gebrandmarkt und von der Thronfolge ausgeschlossen – aber am Ende doch Königin von England.
Maria Stuart, Königin von Schottland, Katholikin, mit siebzehn Jahren verwitwet. Der zweite Gatte wird ermordet, sie selbst eingekerkert. Ihr gelingt die Flucht aus der Gefangenschaft nach England, in die Hände der Rivalin. Und Elizabeth steht vor einer unmöglichen Entscheidung: Lässt sie Maria hinrichten, schafft sie eine Märtyrerin für die immer noch starke katholische Gegenbewegung. Tut sie es nicht, haben ihre Gegner immer eine mögliche Königin, die es auf den Thron zu bringen gilt. Achtzehn Jahre dauert Marias Gefangenschaft, bis sie schließlich doch ihren Kopf verliert.
Kann es wirklich nur eine geben? Könnte das „Game of Thrones“ nicht auch anders ausgehen? Zwei Frauen, die durch die Wirren ihrer Zeit an die Spitze gelangen, mächtig und doch abhängig von den gesellschaftlichen Verhältnissen ihrer Zeit, Gewalt ausgesetzt und Gewalt ausübend. Queens befragt unser Bild von weiblicher Macht und die Möglichkeit von Solidarität und in den herrschenden Verhältnissen andere Wege zu gehen.
Regisseurin Jessica Weisskirchen begann ihre Theaterlaufbahn als Regieassistentin am Theater und Orchester Heidelberg und wechselte später ans Nationaltheater Mannheim. Hier realisierte sie erste Arbeiten während ihrer Assistenzzeit DIE TONIGHT, LIVE FOREVER oder Das Prinzip Nosferatu von Sivan Ben Yishai und als Regisseurin Ein Körper für jetzt und heute von Mehdi Moradpour. Seitdem arbeitet sie als freie Regisseurin, u. a. an Die Andere Welt Bühne Strausberg Die Physiker, Zickwolf nach Büchners Woyzeck. Nach ihrer erfolgreichen Inszenierung von Georg Büchners Woyzeck in der Spielzeit 2022/23 arbeitet sie zum zweiten Mal am Schauspiel Dortmund und setzt damit ihre Neuerforschung kanonischer Stoffe mit Queens fort.
„Zeitgemäß umkreisen Jessica Weisskirchen und ihr Team mit Schillers ‚Maria Stuart‘ Fragen weiblicher Machtausübung. Wer wird in ihrer bildstarken Performance die Oberhand gewinnen: Mary oder Elizabeth?
Weisskirchen zeigt keinen edlen Kampf der Königinnen, in dem die moralisch Überlegene Sympathien gewinnt. Dieses Ringen um die englische Krone will eine Studie der weiblichen Machtausübung liefern.
Marlena Keils Mary ist Verstörte wie Verstörende, sie reagiert emotional, kriecht am Boden wie ein angekettetes Tier. Ihre Macht ist weniger die weibliche Anziehungskraft als eine unerschütterliche Überzeugung. Linda Elsners Elizabeth – die ‚Virgin Queen: Rein, jungfräulich, heilig…schön‘, wie es im Text heißt – hadert, wenn sie Argumente durchdenkt oder Positionen hinterfragt, dann verkrampft auch ihr Körper. Sie klingt mal pokernd, mal wie außer-sich-seiend.“
„Das sind einerseits extrem starke Bilder. Ausstatter Günter Hans Wolf Lemke stellt den wuchtigen Pfeiler ins Zentrum, der vieldeutig lesbar ist. Vielleicht als rituelles Zentrum, von dem glitzernde Lichtketten als Äste und Wurzelwerk ausgehen.
Besonders effektvoll kommen da die beiden Protagonistinnen zur Geltung. Marlena Keil lotet als Maria Stuart, die Katholikin, die als Schutzsuchende an den englischen Hof kam und regelwidrig inhaftiert wurde, ein großes Gefühlsspektrum aus. Sie verfügt über die Verzweiflung, zeigt eine verletzte, versehrte, verstörte Kreatur, kriecht gollumhaft auf allen Vieren herum. Dann wieder steht sie aufrecht, majestätisch, fordert ihre Rechte ein in modernisierter Sprache.
Das entwickelt Spannung, wenn die Königinnen wirklich ihren Zickenkrieg austragen. Ein Gefecht in Worten, das hier in Körperlichkeit übersetzt wird, sodass mal Keil oben liegt, mal Elsner. Sie scheuchen sich herum, können aber nicht von den Leinen los und wickeln sich damit fest wie Hunde, die einmal zu oft um einen Baum flitzen. Da deuten sich andere Lösungen an als das maskuline Es-kann-nur-einen-geben, vielleicht könnten sie gemeinsam regieren? Flehentlich streckt Keil die Hand aus.“
„In ihrer Fassung fällt vieles weg, denn es soll vor allem keinen ‚Zicken-Krieg‘ zwischen Elisabeth und Maria Stuart geben. Im Gegenteil: Bei einem Treffen schafft es Maria fast, Elisabeth zu überreden, sich den Thron, die Macht zu teilen.“