Was ihr wollt
Liebeswirrungen, ein getrenntes Geschwisterpaar und die Frage danach, wer wir sind, wen wir lieben und was das miteinander zu tun hat: Shakespeares leichtfüßige Verkleidungs- und Verwechslungskomödie spielt mit erstaunlich heutigen Fragen nach Begehren und (Geschlechter-)Rollen.
Die schiffbrüchige Viola landet, von ihrem Zwillingsbruder Sebastian getrennt, an der Küste Illyriens. Doch das vermeintlich rettende Land erweist sich schnell als Refugium merkwürdiger Bewohner*innen zwischen Dornröschenschlaf und dionysischem Rausch. Als Mann Cesario verkleidet, tritt sie in den Dienst von Orsino, Herzog von Illyrien, der vergeblich die Gräfin Olivia umwirbt. Viola verliebt sich in den Herzog, während wiederum Olivia Gefühle für Cesario/Viola entwickelt. Als wäre das nicht schon kompliziert genug, tragen auch noch Olivias aufgeblasener Oheim, der Haushofmeister Malvolio und das Kammermädchen Maria zu weiteren Verwicklungen bei. Und an einem anderen Teil der Küste knüpfen Violas Zwillingsbruder Sebastian und der Schiffshauptmann Antonio auf der Suche nach der Schwester vielleicht mehr als freundschaftliche Bande …
Der Regisseur Paul Spittler wuchs in Strausberg bei Berlin auf. Während und nach seinem Studium arbeitete er als Assistent u. a. am Staatsschauspiel Dresden und Burgtheater Wien. Seit 2018 inszeniert er u. a. am Volkstheater Wien, Maxim Gorki Theater Berlin, Kosmos Theater Wien, Werk X Wien und Die Andere Welt Bühne Strausberg. Seltener auch Bühnenbildner (Kosmos Theater Wien) und Performer (Ballhaus Ost Berlin). Am Schauspiel Dortmund inszenierte Paul Spittler bereits DIE TONIGHT, LIVE FOREVER oder Das Prinzip Nosferatu. Seine Theaterarbeiten sind von starker Körperlichkeit, Exzess und queeren Strömungen geprägt. Er lotet mit seinen Teams die inhaltlichen und ästhetischen Schnittmengen von E- und U-Dramatik aus. Theater fürs Theater ist langweilig. Theater ist Lust. Theater ist aktive Politik. Theater strahlt aus der Gesellschaft in sie hinein. Gemeinsames Entwickeln und Ergründen sind die Grundlage für seine inszenatorische Arbeit.
„Illyrien als Schauplatz eines Disney-Streifens: Shakespeares Liebeswirren werden in Paul Spittlers Inszenierung zum schillernden Spiel mit Geschlechterrollen und -zuschreibungen. Klischees, zelebriert als Showact. Und der Narr im Spiel entlarvt die großen Liebesfragen.“
„Regisseur Paul Spittler hat große Lust auf eben diese Farce, aufs Spiel mit Geschlechterzuschreibungen, Rollenwechseln und Liebesverwirrungen. Sein Illyrien ist Schauplatz eines exaltierten Disney-Streifens.“
„Bühnenbildnerin und Video-Designerin Nicole Marianna Wytyczak bebildert die Inselwelt auf der Drehbühne märchenhaft-kitschig und spleenig-verspielt.“
„So zelebriert der Abend das Klischee als Showact. Körper wollen gezeigt werden, ausgestellt. Spittler und Choreografin Jasmin Avissar lassen sie auch tanzen, mal höfisch in der Reihe, mal mit mechanischen Zombie-Moves, mal lasziv.“
„(…) Viet Anh Alexander Tran spielt beide Rollen angenehm direkt, leicht überdreht den Cesario/Viola und gelassener den Sebastian.“
„Paul Spittler und Laura Naumann legen alle Karten offen, der Narr (…) spricht überdeutliche Worte, jeder Witz, auch jede Plattheit wird auf der Bühne ausgekostet und am Ende bleibt die Freude am Spiel.“
„Ekkehard Freyes Malvolio erntet Szenenapplaus, als er frohlockt, er habe bei Olivia einen Stein im Brett. Irrtum, Maria (Sarah Quarshie) führt ihn an der Nase herum.“
„(…) Antje Prust meistert alle Tonartwechsel des Narren.“
„Sie tanzen in tollen Kostümen von Thomas Unthan, zu einer Musik, die Elektrobeat mit Barock-Trompeten paart. Queere Comedy total, sehr unterhaltsam (…).“
„‚Was ihr wollt‘ ist ein grandioses Verwirrspiel um lauter flammende Herzen.“
„Klug mischt Nicole Marianna Wytyczaks mit einem Felsenbecken (aus dem die ganze Party-Gesellschaft entsteigt) und per Drehbühne kreisenden Residenzen die Zutaten alten Zaubertheaters mit Projektionen, die unentwegt das Spiel von Schein, (Ab-)Spaltung und Vergänglichkeit illustrieren. Zooey Agros Sounddesign hält da mickymausmunter durchaus Schritt.
„(…) die ‚marmorbusige Tyrannin‘ (exzellent verkünstelt Linda Elsners Olivia) (…)“
„Originell (…): den strohdoofen Ritter (B)Leichenwang mal nicht als Waschlappen sondern als dicke Hose vom Dienst zu zeichnen, Adi Hrustemović gibt für die Testosteron-Karikatur saftig Gas.“
„Lorbeer für Ekkehard Freyes Malvolio: Da klopft einer Shakespeares Text (in Thomas Braschs raffiniert doppelbödiger Übertragung) schlichtweg wundervoll auf seinen Reichtum ab - und hebt lauter Wort-Schätze.“
„Antje Prust macht daraus eine flirrend vielschichtige Performance, zeigt einen Diener im Multitasking, beflissen, aber in Distanz zum Treiben ihrer Herren. Sie steht im Zentrum, nicht als Antreiberin, aber als Durchblickerin, auf die keiner hören will.“
„Ein Glücksfall ist der Schauspieler Viet Anh Alexander Tran, der Viola und Sebastian verkörpert. Er wechselt mühelos die Körpersprachen von empfindsamer Weiblichkeit zu muskulöser Selbstbehauptung. Er spielt als Viola wunderbar die Verzweiflung darüber, dass die Gräfin den vermeintlichen Cesario anbaggert. Sein Sebastian hat eine feine Liebesszene mit Alexander Darkow als Antonio. Tran glaubt man die Ähnlichkeit, die bei Shakespeare Behauptung ist.“
„Der Abend ist sehr bunt, schnell, unterhaltsam. Spittler bedient sich stilistisch bei Disney-Musicals und Fernseh- Soaps. Die Musik setzt schöne Pointen.“
„Die Bühne von Nicole Marianna Wytyczak ist eine herrlich schräge Scheußlichkeit, ein Stilmix aus Felslandschaft, Zierbrunnen, römischem Bad, Kühlschrank, Wäscheständer und Denkmal mit Hirsch, aus Lila und Grün.“
„Der Abend sprüht vor Spielfreude. Die Intrige der Bande um Sir Toby ist ein großer Spaß. Nika Mišković gibt dem Saufbruder eine hinreißend kerlige Gestalt mit Augenklappe und Kettenhemd. Adi Hrustemovićs Sir Leichenwang ist ein fabelhafter Proll, der an Grenzen stößt, selbst wenn er bis drei zählen will. Sarah Quarshie ist als Maria eine quirlige Intrigantin. Ekkehard Freye darf als ihr Opfer Malvolio sein komisches Talent ausleben, die Briefszene ist eine Wucht.“
„Die Inszenierung hat starke Bilder und Zugkraft.“
„Es gibt einen Narren in diesem ganzen Spiel und da gibt es neue Texte. Die hat die Autorin Laura Naumann geschrieben - quasi der quirligen und frechen Schauspielerin Antje Prust auf den Leib geschrieben, die das wirklich ganz toll bringen kann.“
„Optisch (…) zog die Inszenierung alle Register. Abgefahrene Kostüme, Männer in Frauenkleidung und umgekehrt. Über alle Geschlechtergrenzen hinweg tobten sich die Schauspieler*innen mit viel Spielfreude auf der Bühne aus.“